The Witcher 3: Wild Hunt
Kein Hol- und Bringdienst für Fleißarbeiter
Wenn The Witcher 3: Wild Hunt in der obersten Liga mitspielen will, dann muss es neben der fabulösen Spielwelt auch Inhalte bieten, die den Spieler fesseln und antreiben. Viele Rollenspiele leiden darunter, sehr viele Aufgaben zu integrieren, in denen es lediglich darum geht, von A nach B zu gehen oder Monster C für einen Auftraggeber zu töten.
Eine sehr positive Ausnahme war insbesondere Fallout: New Vegas, das jede einzelne Aufgabe erinnerungswürdig servierte. Daran wollte sich auch CD Projekt RED orientieren und tatsächlich bleiben Aufgaben wie Hol- und Bringdienste eher außen vor. Der Regelfall ist vielmehr, dass Personen am Wegesrand in ein Gespräch verwickeln und von ihren Problemen erzählen, die man links liegen lassen kann oder aber sich darum kümmert. So weit, so gut! Wirklich interessante ist das dann, wenn dadurch viele Entscheidungen zu Folgeerscheinungen führen können, die sehr unvorhersehbar auftreten.
Es kann schon mal passieren, dass nach einer moralisch guten Entscheidung durch unvorhersehbare Ereignisse umso schlimmere Folgen eintreten. Ebenso kann rigoroses Vorangehen zu endgültigen Lösungen von Problemen führen. The Witcher 3: Wild Hunt spielt oft selbst mit seinem Spieler und hält ihn im Ungewissen darüber, ob seine Entscheidung nun falsch oder richtig war.
Die Aufgaben selbst sind zwar nicht die Neuerfindung des Rades, bieten aber immer mindestens eine Prise Abenteuer, Entdeckerdrang oder Entscheidungswillen, um diese zu lösen. Insbesondere die Hexeraufträge bieten zu Beginn sehr viel Atmosphäre bei der Aufklärung von Morden oder Geschehnissen und erinnern mit ihrem Lösungsprozess stark an Fälle eines Sherlock Holmes oder wirken von großen Vorbildern wie Batman: Arkham City inspiriert zu sein. Die verschiedenen Arten von Quests und Aufgaben tragen bedeutend zur beeindruckenden Atmosphäre bei und sorgen für die nötige Würze und Abwechslung.
Die ultimative Charakterklasse
The Witcher 3: Wild Hunt ist kein Rollenspiel, das sich um vielfältige Charakterentwicklung verschiedener Klassen dreht, bei dem der Spieler seinen Charakter hin zum mächtigen Magier, talentierten Meisterdieb oder durchschlagskräftigen Kämpfer entwickelt. Es geht hier um die Hauptfigur des Hexers Geralt von Riva und der verändert sich in seinem dritten Abenteuer nicht grundlegend oder definiert sich völlig neu. Als Hexer ist sein Entwicklungsrahmen zwar umfangreich, jedoch klar abgesteckt. Die Charakterentwicklung ist nichtsdestotrotz wichtiger Bestandteil des riesigen Abenteuers. Nach jedem Levelaufstieg können mit der Auswahl bestimmter Perks für die fünf Hauptbäume leider nur die jeweiligen Zahlenwerte verändert werden. Komplett neue Fähigkeiten und große Überraschungen bleiben aus.
Der Hexer Geralt wird beim Anwenden seiner Fähigkeiten einfach immer perfekter, stärker und mächtiger. Tatsächlich gelingt es dem Spiel dadurch sehr gut, eine steigende Reife des Protagonisten zu vermitteln. Unter dem Strich kann der Spieler trotzdem nur wenig zur individuellen Entwicklung seines Hexers beitragen. Selbst das Experimentieren mit den verschiedenen Mutagenen und das Kombinieren durch Kopplung an bestehende Fertigkeiten klingt komplexer als es wirklich ist. Ein wenig mehr Tiefgang für die Charakterentwicklung hätte uns noch besser gefallen.
Atemberaubende Spielwelt, herausragende visuelle Errungenschaft
The Witcher 3: Wild Hunt ist eine visuelle Granate und sieht schlicht phänomenal aus. Gamer sind aber nie zufrieden und so konnte sich selbst die Grafik-Opulenz des Open-World-Rollenspiels nicht gänzlich einigen Unkenrufen entziehen. Weil CD Projekt RED die Farbpalette und die Lichteffekte im Vergleich zu früheren Präsentationen in der finalen Version ein wenig verändert hat, es an wenigen Stellen mal matschige Texturen gibt und die immer noch bestechende Weitsicht im Vergleich zu älteren Builds des Spiels minimal zurückgefahren wurde, sprechen einige Leute von einem drastischen Grafik-Downgrade. Wer ein Haar in der Suppe finden will, findet auch eines. Lasst euch nicht in die Irre führen, The Witcher 3: Wild Hunt ist ein Grafik-Biest!
Alleine dafür, dass man sich des Öfteren dabei ertappt, beim Erkunden der detailverliebten Welt einfach inne zu halten, in die Ferne zu blicken und die Landschaft zu genießen, muss man den Entwicklern ein riesiges Lob für die außergewöhnliche Atmosphäre ausgesprochen. The Witcher 3: Wild Hunt beeindruckt nicht nur durch seine genialen Szenerien, sondern auch durch seine ruhigen und super ausgeleuchteten Momenten in einer völlig authentisch wirkenden Spielwelt, die genau so aussieht wie es sich gehört. Und dafür wird nur am Anfang der Spielsession für etwa 45 Sekunden geladen oder wenn ihr sterbt oder das Schnellreisesystem benutzt. Davon abgesehen reißen euch keine Ladezeiten aus dem Spielfluss.
Die Framerate ist auch auf den Konsolen trotz kleiner Stotterer sehr stabil. Auf der PS4 wird der Hexer und seine herausragende Spielwelt in 1080p bei 30 Frames pro Sekunde gerendert, auf der Xbox One in 900p mit ebenfalls 30 Frames pro Sekunde. Auf dem PC könnt ihr bis zu einer 4K-Auflösung hochschrauben, wenn euer PC genug Power unter der Haube hat. Die Framerate auf dem PC ist dann abhängig von der genutzten Hardware.
Auch wenn die Welt von The Witcher 3 unglaublich stimmig inszeniert ist, empfanden wir an manchen Stellen das teilweise sehr nervöse Wippen der Bäume und Gräser im Wind ohne passende Sounduntermalung etwas übertrieben. Wenn wippende Gräser von draußen durch eine stabile Hauswand zu sehen sind oder Gegner in seltenen Fällen verbugt halb im Boden versinken, scheint die Physikberechnung hin und wieder ihre Probleme zu haben.
The Witcher 3: Wild Hunt ist wunderschön, aber auch nicht ganz perfekt. Gleichzeitig beweist das RPG, dass man mit einer überzeugenden Atmosphäre die Spieler verzaubern kann.