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Seit einer knappen Woche ist die Games Convention 2006 nun zu Ende und die Messeleitung kann beeindruckende Zahlen vorweisen: 150.000 Besucher war das ausgegebene Ziel, mit am Ende über 183.000 Besuchern hat man sogar die japanische Tokyo Game Show (160.000 Besucher basierend auf den Zahlen des letzten Jahres) überholt.
Nach einer Woche Abstand und Erholung ist es auch für uns an der Zeit ein abschließendes Resümee zu ziehen. Was brachte die größte Spielemesse Europas (bald vielleicht sogar der Welt) wirklich?
Stefan:
Die Zahlen sind schon beeindruckend. 183.000 Besucher und die Hallen waren an jedem Messetag prall gefüllt, obwohl in diesem Jahr das erste Mal eine komplett ausgefüllte Messehalle zu den Ausstellungsflächen hinzukam. Auch das Business Center musste anbauen. Da der Platz im eigentlichen BC-Gebäude nicht ausreichte, musste ein Großteil der Halle 2 zusätzlich genutzt werden. Kein Wunder: Über 2000 Journalisten aus über 30 Ländern wollten die Neuigkeiten sehen.
Das Ganze hört sich fantastisch an, mir hat die Games Convention 2006 auch sehr gut gefallen – große Show und viel Interesse seitens der Besucher. Im Grunde sind all diese Zahlen aber nur ein Gerüst, um nicht zu sagen eine Blase, die schnell platz und die Wahrheit offenbart, sobald man hinter die trügerische Fassade schaut.
Von den Zahlen her hat die GC die TGS längst überholt (immer noch basierend auf den Zahlen der TGS aus 2005), doch wirklich wichtig scheint Leipzig und der ganze europäische Markt den Herstellern nicht zu sein. Wie ist es sonst zu erklären, dass weder die PlayStation 3 noch Nintendos Wii von den Konsumenten gespielt werden konnte, die in wenigen Wochen ihr hart verdientes Geld für jene Geräte ausgeben sollen?
Von der PS3 bekam man lediglich Trailer vor einer Couch vorgesetzt und suchte dort vergeblich nach den Controllern, aber das einzige was man von der PS3 zu Gesicht bekam war eine Auslage, Wii sah das normale Publikum überhaupt nicht! Zeitmangel kann wohl kaum die Erklärung sein, wenn gut drei Wochen nach der GC fast 30 PS3-Spiele auf der TGS vom den Besuchern gespielt werden können, was zu allem Überfluss noch während der GC bekannt gegeben wird. Ebenso Nintendo, die ihre neue Konsole nur der Presse zeigten, Mitte September aber mit näheren Informationen zur neuen Konsole rausrücken werden und auch von Zelda oder jeglichen anderen GameCube-Titeln sah man am Nintendo-Stand nichts.
Die Antwort ist so einfach wie traurig: Europa ist das fünfte Rad am Wagen, lieber will Sony dem japanischen Publikum die nächste Konsolengeneration zeigen. Hätte man auf der GC gezeigt, was vermutlich schon bereit gewesen wäre, dann hätten die Japaner bereits vieles gekannt. So kann man nun mit viel Aufsehen PS3-Spiele zeigen, die zum ersten Mal öffentlich spielbar sind. Europa schaut hingegen in die Röhre und wird von Sony wie von Nintendo ausgebeutet. Ständig kommen wir hierzulande zuletzt in den Genuss neuer Hard- oder Software, müssen so manches Mal noch ein Jahr warten und dürfen dafür aber das Meiste berappen. Der Dank: Ein Messeauftritt von den Herstellern, nur um anwesend gewesen zu sein und etwas PR betreiben zu können, aussagekräftiger Inhalt fehlt.
Wenn zwei nicht wollen, dann freut sich eben der Dritte, was in diesem Fall Microsoft ist. Die Xbox 360 war als einzige der Next-Generation-Konsolen spielbar und konnte mit einem bereits breiten Lineup punkten. Viele der 183.000 Besucher waren sicher gerade wegen der PlayStation 3 und Wii auf die Messe gekommen, unwissend, dass diese nicht gespielt werden können. Der eine oder andere dieser Besucher wird nun sicherlich überlegen, ob er zu einer Xbox 360 greift, da weiß man wenigstens was man bekommt. PS3 und Wii müssen die meisten von uns zum Launch jedenfalls blind kaufen, ohne diese jemals ausprobiert zu haben.
Dass man den Markt in Europa bei Microsoft scheinbar wichtiger einschätzt als die Konkurrenz zeigt auch die Ankündigung, dass die Next-Gen-Versionen von FIFA 07 und Pro Evolution Soccer 6 für 12 Monate Xbox 360 bleiben. Fußball ist in Europa bekanntermaßen sehr beliebt, doch aus der zunächst großen Ankündigung wurde ein lächerlicher Witz. Mehr als fünf Mal änderten Microsoft oder Konami ihre Meinung bezüglich der Dauer der Exklusivität von PES6 – am Ende, was erst eine Woche nach Ankündigung erreicht war, kam dann doch nur die Exklusivität für dieses Weihnachtsgeschäft heraus. Dieses Hick-Hack überschattete den fast genialen Schachzug von Microsoft die gesamte GC über.
Somit war die Games Convention 2006 am Ende nicht das, was sich die Meisten erhofft hatten und was die nackten Zahlen am Ende vermitteln. Eine tolle Messe war es dennoch: Klasse organisiert und es gab auch viele coole Titel zu sehen und zu spielen, so etwa Crysis oder Spore, und ich war begeistert aber gleichzeitig auch herbe enttäuscht und entsetzt, mit welch kalter Schulter uns Branchengrößen wie Sony und Nintendo in Europa wahrnehmen. Wirklich große Ankündigungen fehlten der GC in diesem Jahr leider völlig, die Pressekonferenzen waren im Prinzip langweilig. Hoffentlich steigern die vielen Besucher von diesem Jahr das Interesse für die GC seitens der Hersteller für das kommende Jahr, dann möchte ich eine ganze Riege Hammerspiele für PS3, Wii und natürlich auch Xbox 360 sehen und nicht mit dem abgespeist werden, was für die TGS nicht spannend genug ist.
Christian:
Schade. Die Games Convention ist schon wieder vorbei! Ich hatte wie jedes Jahr meinen Spaß und war beeindruckt, in welchem Umfang die Messe noch weiter wächst. Waren bei meinem ersten Besuch 2003 noch an den meisten Ständen wenige Kubikmeter Luft zum Atmen, musste man dieses Jahr schon Angst haben, zerquetscht zu werden. Es gibt mehr Würstchenbuden, mehr Aussteller, ein größeres Business-Zentrum, ein musikalisches Großevent nebenher und so weiter, doch eines bleibt meiner Meinung nach auf der Strecke: Die Wahrnehmung durch die Aussteller, die zwar immer bekräftigen wie wichtig die GC ist, dies aber nicht unter Beweis stellen.
Diese hat sich in den paar Jahren nicht wirklich gebessert, im Gegenteil. Ich muss mich Stefan anschließen, wenn er behauptet, dass man sich in Europa vernachlässigt, wenn nicht sogar veräppelt fühlt. Die Messe ist für alle geöffnet, alle namhaften Hersteller und Entwickler kommen jedes Jahr nach Leipzig. Eine bessere Schnittstelle für alle, seien es europäische Spieleentwickler oder asiatische, kann es doch gar nicht geben. Und trotzdem lässt man keine PlayStation 3 spielen, man stellt kein Wii öffentlich vor, man sieht nichts von Zelda. Stattdessen gibt es noch mehr Promotion, Gewinnspiele, Clubmitgliedschaften und so weiter zu Dingen, die man größtenteils sowieso schon kennt.
Ich finde diese Entwicklung schade und sehe als einzige Schlussfolgerung nur, dass man hier einige Möglichkeiten vergibt, den Videospielmarkt für alle zugänglich zu machen und den Leuten Spaß zu bieten. Trotzdem waren es angenehme drei Tage in Leipzig und selbstverständlich werde ich nächstes Jahr wieder kommen. Mal sehen, was sich bis dahin so ändert.