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David Cage ist ein Visionär, der seine Vorstellungen stets in die Tat umzusetzen versucht. Sein Vorhaben, Videospiele auf eine neue Stufe in Sachen Emotionalität zu hieven, indem er glaubhafte Charaktere erschafft und im Spieler Mitgefühl am Schicksal jener erzeugt, gelang ihm und seinem Studio Quantic Dream in der Vergangenheit mit Bravour. Mit Fahrenheit und Heavy Rain erschuf Cage Außergewöhnliches. Sein neustes Projekt ist Beyond: Two Souls, schlägt in die gleiche Kerbe und zeigt sich als inszenatorisch einzigartiges Erlebnis, das das reine Prädikat "Videospiel" eigentlich gar nicht mehr verdient.
Einstieg auf Hollywood-Niveau
Beyond: Two Souls startet fulminant: Ein introvertiertes Mädchen wird völlig abgewrackt im Wald aufgefunden. Ihre schwarzen Haare verdecken ihr bekümmertes Gesicht. Sie ist ängstlich, verschroben und gibt keinen Ton von sich. Der örtliche Sheriff redet behutsam auf sie ein, um mehr über sie zu erfahren. Doch es bringt alles nichts. Untermalt von dramaturgischer Musik aus der Feder von Hans Zimmermann, Normand Corbeil und Lorne Balfe dringt eine S.W.A.T.-Gruppe in das Revier ein. Schnitt. Ein schwarzes Bild. Im nächsten Augenblick sind alle Beamten tot und nur der Sheriff ist noch am Leben. Das Mädchen hat das Weite gesucht. Diese Exposition spielt mit dem, was das Action-Thriller-Genre prägt, und liefert ein dramaturgisches Fundament.
Doch was ist eigentlich passiert? Es ist kein Geheimnis, dass Jodie, so der Name des verschüchternden Mädchens, seit ihrer Kindheit mit der geisterartigen Existenz Aiden verbunden ist. Während Jodie das Wesen in jungen Jahren noch als Spielgefährten ansah, wird sie heute von Ärzten als ein Mädchen mit übernatürlichen Kräften eingestuft, das schon bald für die Forschung und die Bekämpfung paranormaler Kräfte, eine der Kernthematiken der Geschichte, von Bedeutung sein soll.
Spagat zwischen Film und Spiel
Beyond: Two Souls ist ein Trip, der ab der ersten Minute packt. Als Videospiel wollen wir es bewusst nicht bezeichnen, vielmehr handelt es sich um einen interaktiven Film. Ihr erlebt Jodies Schicksal in einem 15-jährigen, nicht-chronologischen, Zusammenschnitt und vielmehr als Rezipient statt als Akteur. Im Prinzip habt ihr dabei nur ganz selten Einfluss auf das Geschehen. Das Meiste ist vom Spiel vorgegeben. Hier kommt bereits der erste Negativpunkt ans Licht: Es fehlen an vielen Stellen zündende Gameplay-Ideen.
Abgesehen von der Fähigkeit, mit Aiden als Geist Gegenstände in der Umgebung zu beeinflussen und zu untersuchen oder Kontrolle über andere Personen zu übernehmen, bleibt Beyond: Two Souls spielerisch mager. Jodie wird ebenfalls wie an einer Schnur durch die Areale gezogen und kann hier und da interagieren. Etwas zu dünn, denn größtenteils beschränkt man sich auf bloße Quicktime-Events. Immerhin werden diese durch grandiose Zwischensequenzen und filmisch eindrucksvolle Kameraeinstellungen auf Hollywood-Niveau gezeigt.
Die Konfrontation mit dem Tod war in Heavy Rain einer der Kerngedanken. In Beyond: Two Souls ist dieses Element deutlich anders aufgebaut. Es liegt nicht mehr in der Hand des Spielers, mit Hauptakteurin Jodie dem Tod von der Schippe zu springen. Dunkle Materie macht der Menschheit zu schaffen und nur Jodie kann ihr trotzen. Schon bald merkt ihr nämlich, dass Beyond: Two Souls viel zu simpel ist und an einigen Stellen wird die Geschichte unglaubwürdig.
Der Grund: Jodie ist zusammen mit Aiden unbesiegbar. Wird sie von der Polizei gefasst, geht die Story weiter und ihr müsst euch befreien. Das ist so simpel, dass es spielerisch anspruchslos wird und der Grund für die Verfolgung Jodies nicht nachvollziehbar erscheint. Man fragt sich als Spieler gerne mal, wieso die Polizisten überhaupt Jagd auf Jodie machen, wenn sie ohne wieder ganz einfach entrinnen kann. Hier will Cage der Spagat zwischen den Medien Film und Spiel nicht so recht gelingen. Nahezu jeder gute Film hat solche Logikfehler im Drehbuch, um eine spannende Geschichte zu erzählen, doch im Fall von Beyond: Two Souls sind diese Logiklöcher allzu präsent und aufdringlich. Die Konsequenz ist ein enges Korsett, das dem Spieler kaum Raum für Entscheidungen lässt, gaukelt jene aber oftmals vor. Es gibt zwar 23 Enden, doch wegweisende Entscheidungen dürft ihr im Laufe der Handlung selten fällen.
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